Von Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz, Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure

Im August dieses Jahres habe ich dem «Tages-Anzeiger» ein Interview zum Thema Elektromobilität gegeben. Als Befragter kann man dabei seine eigenen Antworten kontrollieren – nicht aber die Überschrift, die der Journalist daraus formt. So stand am 9. August 2018 in grossen Lettern in der Zeitung: «Boom bei Elektroautos erfolgt Ende 2019». Das klingt wie eine exakte Vorhersage, die ich so nicht abgeben wollte und auch gar nicht kann. Im Interview wird auch deutlich, dass es sich eher um eine Prognose als um das Ergebnis einer Glaskugel-Befragung handelt. Und doch mehren sich die Anzeichen, dass dieser Zeitpunkt als Start für einen wachsenden Elektro-Anteil an der Neuwagenflotte gar nicht so falsch sein könnte.

Elektrische Neuerscheinungen allen Ortens

So titelte das deutsche Magazin «auto, motor und sport» kürzlich: «Warum 2019 das erste richtige E-Auto-Jahr wird». Dazu wurden neun rein elektrische Neuerscheinungen von neun unterschiedlichen Marken aufgelistet, die 2019 käuflich oder bestellbar werden. Interessanterweise handelte es sich ausschliesslich um Hersteller aus dem asiatischen und europäischen Raum. Diese Auflistung ist ein Beleg für die Ankündigungen, die bereits seit längerer Zeit für 2019 in Aussicht gestellt wurden. Auf diese habe ich mich auch im «Tages-Anzeiger» gestützt. Zu den vollelektrischen Modellen kommt eine massiv wachsende Zahl an Plug-in-Hybriden dazu, also einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor mit der Möglichkeit, die Batterie per Stecker zu laden. Für Autokäufer gibt es also eine immer grössere Auswahl an «Steckerfahrzeugen».

Den Ausdruck «Boom» darf man allerdings nicht falsch verstehen und zu viel erwarten. Derzeit stehen wir im Jahresverlauf beim Marktanteil der Elektroautos und Plug-in-Hybride bei drei Prozent. Das ist überschaubar, aber wachsend. Wenn wir 2019 fünf Prozent schaffen würden, wäre das im Vergleich zu vorangegangen Steigerungsquoten in der Tat ein Boom. Interessant wird dann auch der weitere Verlauf sein. Für 2020 hat sich auto-schweiz mit seinen Mitgliedern ein Ziel von zehn Prozent Marktanteil der aufladbaren Autos gesetzt. Mit unserem Projekt «10/20» soll in zwei Jahren jeder zehnte neue Personenwagen ein Elektroauto oder ein Plug-in-Hybrid sein. Nur mit solch einem ambitionierten Ziel haben wir die Chance, die ab 2020 deutlich strengeren CO2-Vorgaben zu schaffen, ohne Unsummen an Sanktionszahlungen an den Bund überweisen zu müssen. Und in den Jahren danach braucht es weiteres Wachstum. Deshalb werden die neuen Modelle so attraktiv sein, dass sie eine immer breitere Käuferschaft ansprechen.

Lade- und Tankinfrastruktur entscheidend

Die Modellauswahl allein kann natürlich nicht für einen wachsenden E-Anteil im Personenwagenmarkt sorgen. Das haben wir bei der Vorstellung von «10/20» vor zehn Monaten deutlich gemacht. Es braucht zusätzlich massive Investitionen in Lade- und Tankinfrastruktur für alternative Antriebe. Erd- respektive Biogas und Wasserstoff dürfen angesichts des Elektro-Hypes nicht vergessen gehen. Auch eine konzertierte Offensive der Kantone für Anreize zugunsten effizienter Antriebe bei der Motorfahrzeugsteuer wäre äusserst förderlich. Das kostet nicht viel, bringt aber dem einzelnen Käufer einen Nutzen und würde dafür sorgen, dass Importeure grossflächiges Marketing mit diesen Anreizen machen könnten. Und eines ist auch sicher: Der überwiegende Teil von mehr als 90 Prozent der neuen Autos wird in zwei Jahren immer noch über einen Verbrennungsmotor verfügen. Mit oder ohne «Boom» bei Elektroautos.

Dieser Text ist am 6. Dezember 2018 in der «Automobil Revue» erschienen.