Die Schweiz steht vor einem Verkehrsinfarkt. Die Staustunden auf den Nationalstrassen nehmen ein ungesundes Ausmass an. Doch wie kam es dazu? Und welches sind die Gründe für das Verstopfen der Schweizer Verkehrsadern?

Von Mario A. Bonato, Ökonom auto-schweiz

Die Verkehrsüberlastung ist ein vergleichsweise junges Phänomen. Mitte der 1990er Jahre lag die Anzahl Stunden, während denen auf den Schweizer Autobahnen Stau herrschte, bei unter 900. Dazu im Vergleich das letzte Jahr: 2023 wurde abermals ein neuer Rekord durch Überlastung aufgestellt und zwar mit 42’318 Staustunden. Das ist 50 mal mehr als 1994. Das Staugerinnsel ist damit endgültig zum Verkehrspfropf verhärtet.

Unter Stau versteht das Bundesamt für Statistik, wenn auf Hochleistungsstrassen die Geschwindigkeit für mindestens eine Minute unter 10 km/h zu liegen und es häufig zum Stillstand kommt. Beim «stockenden Verkehr» liegt die Erfassungsgrenze bei 30 km/h und teilweisem kurzem Stillstand.

Der untersuchte Zeitraum zeigt zwei Plateaus auf zwei unterschiedlichen Niveaus. So erhöhten sich die Staustunden in den 1990er Jahren nur leicht und mit der Niveauverschiebung 2002 blieb die Zahl auch in den früheren 2000ern relativ konstant. Spätestens ab 2010 nahmen die Staustunden jedoch ein ungesundes Ausmass an. Die 10’000er-Marke wurde überschritten und seit dato auch nicht mehr unterboten. Ebenso wurde sich bis 2015 schnell der 20’000er-Grenze gennähert und diese danach kaum mehr unterschritten. Die Ausnahme gab es während der Corona-Krise, als die ganze Schweiz stillstand. Die Vor-Pandemiewerte wurden aber zügig wieder erreicht und schliesslich bei weitem – mit dem erwähnten neuerlichen Rekordwert – übertroffen.

Für die Stauentstehung gibt es unterschiedliche Ursachen. So können etwa Baustellen und Unfälle zu Stau führen. Innovative Lösungen, wie etwa die Astra-Bridge, ermöglichen das Ausbessern des Strassenbelags tagsüber ohne eine Sperrung oder Umleitung des Verkehrs. Doch weder Baustellen noch Unfälle sind für die meisten Staustunden verantwortlich. Sie machen zusammen weniger als 14 Prozent der Staus aus. Die Diagnose des Stauproblems ist einfach zu stellen: Überlastung. 86,7 Prozent der Staustunden sind darauf zurückzuführen.

Stau belastet die Wirtschaft

Für die Wirtschaft sind zuverlässige und schnelle Autobahn-Verbindungen zentral. Pendler und Gewerbe sind auf ein ungehindertes Vorwärtskommen angewiesen. Denn gut 45 Prozent der Fahrleistung finden auf den Nationalstrassen statt. 62 Prozent des Güterverkehrs werden durch Strassenfahrzeuge geleistet und 68 Prozent davon auf den Nationalstrassen. Auch Pendler wählen für ihren Weg zwischen Wohn- und Arbeitsort zur Hälfte das Auto. Der Strassenverkehr ist kritischer Bestandteil des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gesamtsystems.

Die aggregierten Kosten steigen denn auch ins Enorme. Über das Jahr verteilt liegen die volkswirtschaftlichen Kosten bei über drei Milliarden Franken. Auch das Klima leidet mit. Mehr als 780'000 tCO2 werden durch Stau auf den Autobahnen unnötig ausgestossen. Staukosten sind ähnlich wie Bluthockdruck: An einem Tag mag man ihn verkraften, langfristig führt es jedoch zu schweren Schäden am System.

Das verkehrspolitische Versagen ist frappant. Die Anpassung der Infrastruktur an die Verkehrsnachfrage wurde zu lange hinausgeschoben. Um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten, bedarf es den neuen Mobilitätsbedürfnissen entgegenzukommen. Für eine gut funktionierende Schweiz und eine gesunde Wirtschaft ist die Folgerung klar: Die Verkehrsarterien müssen frei sein. Das heisst, dass die bestehenden Verkehrsflächen sinnvoll und maximal genutzt werden sollen. Die gröbsten Engpässe gilt es dringend zu beseitigen. So kann der Verkehrsinfarkt vermieden werden. Die STEP-Vorlage nimmt sich genau diesen Anliegen an. Ein Ja an der Urne am 24. November ist für die Gesundung des Patienten Verkehr entscheidend.