150 Tage auto-schweiz: Spannende Aufgaben, grosse Herausforderungen
Von Thomas Rücker, Direktor auto-schweiz
Rund 150 Tage sind vergangen seit meinem Amtsantritt als Direktor von auto-schweiz und bereits schaue ich auf eine enorm spannende Zeit zurück. Ich durfte mich in die vielfältigen Aufgaben einarbeiten und sehe grosse Aufgaben auf die Automobilwirtschaft in der Schweiz zukommen. Dabei sehe ich mehrere Schwerpunkte für die absehbare Zukunft:
Flottenemissionswerte
Der Branche ist es gelungen, die Flottenemissionswerte 2023 einzuhalten oder gar zu unterschreiten. Das sind gute Signale – aber die Herausforderung ist nach wie vor gross, wenn wir die zukünftigen Absenkpfade der Emissionswerte einhalten wollen, damit wir das Klimaziel erreichen können. Dafür braucht es eine schnelle und massive Durchdringung mit emissionsarmen oder emissionsfreien Antrieben. Der Automobilwirtschaft gelingt dies jedoch nicht im Alleingang – dazu brauchen wir vor allem auch Kunden, die in der Elektrifizierung der Flotte grosse Vorteile und einen erkennbaren Nutzen sehen. Damit die Nachfrage gestützt werden kann, müssen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Der Energiezugang spielt dabei eine zentrale Rolle. Das beinhaltet Infrastruktur, Bepreisung und auch die Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom; alles Aufgaben bei denen die Automobilwirtschaft mithelfen, sie aber nicht alleine stemmen kann.
Zukunftsfähigkeit
Ferner stehen neue Regularien für Lärmvorschriften, raumplanerische Parameter und erweiterte Sicherheitsvorgaben an, so zum Beispiel auch für autonomes Fahren oder neue technische Lösungen für emissionsarme Fahrzeuge. Diesen Neuerungen sollten wir offen begegnen. Denn wir als Branche brauchen marktfähige Lösungen – das geht nur mit einer natürlichen Konkurrenzierung, vielfältigen Angeboten und den daraus resultierenden, unterschiedlichen Stärken-Schwächen-Profilen. Gerade unser Wirtschaftszweig braucht sich hinter seiner Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit nicht zu verstecken. Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel in Punkte Emissionsreduktion, Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit, Komfort und Sicherheit erreicht. Dieser Tugend wird die Automobilbranche weiterhin treu bleiben.
Bevölkerungswachstum
Da die Schweiz mit einem hohen Bevölkerungswachstum konfrontiert ist und wir auf eine 10-Millionen-Schweiz zulaufen, müssen wir die Verkehrskonzepte weiterentwickeln oder neu denken. So steht uns eine endliche Verkehrsfläche zur Verfügung und die Infrastruktur kann nicht beliebig ausgebaut werden. Infolgedessen, müssen wir die bisherigen Verkehrsträger besser ausnützen können. Das Mobilitätsverhalten wird in den nächsten Jahren ähnlich bleiben. Der Güterverkehr wird jedoch weiterhin stark zunehmen. Über diese damit verbundenen Herausforderungen dürfen wir keine falschen Vorstellungen haben. Es steht für uns alle auch eine wichtige Abstimmung im kommenden November an: die Engpassbeseitigung auf den Nationalstrassen. Da der Strassengüterverkehr hauptsächlich auf den Nationalstrassen abgewickelt wird und das Nationalstrassennetz die sichersten Strassen sind, müssen wir hier alle mit einem JA die richtigen Signale setzen.
Einbringen ins politische System
Des Weiteren haben wir viele Themen in der Bundesverwaltung anstehen. So haben wir bei verschiedenen Vernehmlassungsverfahren mitgewirkt (bzw. sind gerade dabei) und erwarten gespannt die Ergebnisse. Das geht von autonomem Fahren, über Lärmgrenzwerte, Klimaschutzverordnung, Energieetikette, sichere Stromversorgung, Fahrerassistenzsysteme, Fahrprüfungen, Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe bis hin zur CO2-Verordnung. Ebenso haben wir parlamentarische Geschäfte, die für uns von grosser Bedeutung sind: Zollgesetz mit der Automobilsteuer, Agenturmodell im Autohandel, Pannenstreifenumnutzung, stärkere Einschränkungen bei der Mobilität oder beschleunigte Verfahren zur Erreichung der Energiewende. Verschiedenen Orts konnten wir uns einbringen und unserer Branche Gehör verschaffen.
Sorgepunkt Agglomeration
Grössere Sorgen machen mir aktuelle Trends in den Agglomerationsgebieten. «Verkehrsbefreiung» und Reduktion von Parkplätzen schränkt das Mobilitätsverhalten übermässig ein und vermindert damit auch stark die Attraktivität des motorisierten Individualverkehrs. Leidtragende sind die Pendler und das Gewerbe. Die Ver- und Entsorgung der städtischen Gebiete muss weiterhin gewährleistet werden. Daher sind wir gefragt Lösungen zu entwickeln, welche der Multimodalität der Schweizer Bürgerinnen und Bürger Rechnung tragen. Ich sehe ein nutzenbedingtes Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung. Wenn ich in der eigenen Gemeinde von A nach B muss, dann kann die kurze Distanz gut und gerne zu Fuss, mit dem Velo oder mittels ÖV bewältigt werden. Gehe ich aber meine Einkäufe im Getränkemarkt erledigen, möchte kaum jemand etwas länger mit mehreren Schrumpfpackungen Mineralwasser nach Hause laufen. Wenn der Ausweichverkehr durch Heimlieferung stattfindet, ist dem Verkehrssystem auch nicht geholfen. Daher müssen wir uns verabschieden von der Entweder-Oder-Betrachtung und Mobilität ganzheitlich denken
Die Automobilwirtschaft steht vor diversen Aufgaben. Die kommende Abstimmung über die Engpassbeseitigung auf unseren Nationalstrassen ist der entscheidende Moment, inwiefern die Schweizer Bevölkerung hinter unserer Branche steht und wir unsere Anliegen vermitteln können.
Ich freue mich, die beschriebenen Herausforderungen mit meinem grossartigen Team anzupacken. Als Direktor von auto-schweiz, dem Zusammenschluss der drittgrössten Schweizer Importbranche, bin ich stolz, einem solch dynamischen und zukunftsgerichteten Wirtschaftszweig vorzustehen.