Grosser Trumpf in den Zollverhandlungen mit den USA ist die letztjährige Abschaffung aller Schweizer Industriezölle. Aller Industriezölle? Nein, denn einer ging schlichtweg vergessen. Der Zoll auf die Einfuhr von Automobilen.

Von Mario A. Bonato, Ökonom auto-schweiz

Nicht von ungefähr hat die Schweiz im jüngsten Zollstreit mit den USA auf Gegenmassnahmen verzichtet, denn sie ist eine Freihändlerin par excellence. Die Eidgenossenschaft hat fast 80 Freihandelspartner. Zusätzlich ist dem Bundesrat im letzten Jahr ein Husarenstück gelungen. So wurden nach langem parlamentarischem Prozedere auf Anfang letzten Jahres sämtliche Industriezölle abgeschafft. Der Verzicht auf diese Zölle bringt direkte Einsparungen für die Wirtschaft von 243 Mio. Franken. Das daraus resultierende Wirtschaftswachstum wird auf insgesamt 1 Mrd. Franken jährlich geschätzt. Man kann dem Bundesrat für diese weitsichtige Wirtschaftspolitik kaum genug gratulieren. Wäre da nur nicht ein Makel. Denn ein Industriezoll ging vergessen – die Automobilsteuer.

Zoll oder Steuer?

Doch, Moment. Der Zoll auf Fahrzeuge ist ja gar kein Zoll, sondern eine Steuer? Es heisst denn auch «Automobilsteuer». Doch was aussieht wie ein Zoll, was erhoben wird wie ein Zoll, was wirkt wie ein Zoll, das muss wohl ein Zoll sein, auch wenn es Steuer genannt wird. Die sog. «Steuerbehörde» ist gemäss Automobilsteuergesetz nicht von ungefähr das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG). Realiter macht dies Sinn. Denn der Kreis der Steuerpflichtigen wird auf gesamthaft zwei eingegrenzt: Zollschuldner und Hersteller (Art. 9 AStG). Die Einnahmen sind jedoch äusserst einseitig aufgeteilt. Von den 382 Mio. Franken im Jahr 2023 stammen nur gerade 25’042 Franken von hiesigen Herstellern (0.06 Promille).

Ein kaum benutztes Formular der Schweizer Immobilienindustrie: Anmeldung für Schweizer Automobilhersteller

Ist die Bedeutung der hiesigen Zuliefererindustrie zwar kaum zu unterschätzen, hat es die Automobil-Produktion in der Schweiz jedoch kaum zur Blüte gebracht. Zählte die Schweiz einst über hundert Hersteller, überlebten die meisten Unternehmen die wirtschaftlichen Unruhen des zweiten Weltkrieges nicht. Die Einführung der Automobilsteuer 1997 hatte die Hersteller somit sicherlich nicht im Fokus. Die Einführung wurde damals auch als «haushaltneutrale Umwandlung der Fiskalzölle in die Automobilsteuer» bezeichnet.

Der Frage, ob die Automobilsteuer nun Zoll oder Steuer sei, musste sich die Eidgenössische Zollrekurskommission 2001 annehmen. Es galt zu prüfen, ob die Automobilsteuer gegen das Freihandelsabkommen der EWG verstiess. Die Kommission musste aber die Frage offenlassen, ob «eingeführte Waren, die nicht mit inländischen Waren im Wettbewerb stehen, mit inländischen Abgaben zu belasten» nun rechtens sei. Die Beschwerde wurde schlussendlich abgelehnt, da es sich um eine «Verbrauchssteuer» handle, trotz dem Eingeständnis, dass es sich um eine «äusserst geringe schweizerische Produktion von Automobilen» handle. Ein Weiterziehen des Prozesses an die nächste Instanz wäre sicherlich interessant ausgefallen.

Mag die Sachlage juristisch umstritten sein, ist sie ökonomisch um einiges klarer. Zölle sind lediglich eine Subgruppe von Steuern. Eine spezifische Steuer auf ein Produkt, welches im Inland nicht oder kaum hergestellt wird, ist ein Zoll. War die Begründung bei der Einführung zwar nicht der Schutz einer heimischen Industrie, Fakt ist: Das Gut wird verteuert. Die Leidtragenden sind die Konsumenten und die Wirtschaft.

Der Effekt dieses Zolles von vier Prozent ist denn auch nicht zu unterschätzen. Denn just seit der letztjährigen Erweiterung des Zolls auf Elektrofahrzeuge sind deren Inverkehrsetzungen regelrecht eingebrochen. So wurden 12,5 Prozent weniger neue vollelektrische Fahrzeuge immatrikuliert als noch 2023. Galt die Steuer bis anhin nur auf Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, hat der Bundesrat die Ausnahme auf Elektrofahrzeuge aufgehoben. Ein in vieler Hinsicht fragwürdiger Entscheid.

Eine Steuer ohne Not

Die Bundesfinanzen sind schon lange nicht mehr auf die Zolleinnahmen angewiesen. Machten diese nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen 15 und 24 Prozent der Gesamteinnahmen aus, sind es heute weniger als 1,5 Prozent. Der Zoll auf Fahrzeuge machte im letzten Jahr gar weniger als 0,5 Prozent der Bundeseinnahmen aus. Im Vergleich dazu generiert etwa die Mehrwertsteuer 32% und die Unternehmensgewinnsteuer 17% der Bundeseinnahmen. Wohlgemerkt verteuern bereits beide den Fahrzeugkauf auf direkte und indirekte Weise.  

Die Zolleinnahmen durch die Automobilsteuer sind denn auch zweckgebunden. Sie fliessen in den bereits ausreichend geäufneten Nationalstrassen und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF). Gleichwegs ist der dortige Beitrag klein. Die Automobilsteuer macht anteilig 13,8 Prozent der Gesamteinnahmen des NAF aus. Die angespannten Bundesfinanzen werden durch die Automobilsteuer durch die Zweckbindung nicht entlastet. Sowieso hat der Bund kein Problem auf der Einnahmeseite. Diese haben sich seit den 1990er Jahren mehr als verdoppelt. Die Vorsteherin des Finanzdepartements stellte denn richtigerweise fest, dass bei den Bundesfinanzen ein «Ausgabenproblem» besteht.

Ein Zoll plus Sanktionsmassnahmen

Die Autoimporteure müssen seit 2012 CO2-Zielwerte einhalten, die sich auf einem steilen Absenkungspfad befinden. Werden diese strengen Werte nicht erfüllt, werden Sanktionsbeiträge fällig. Seit Einführung musste die Branche so mehr als 300 Millionen Franken bezahlen. Die Automobilbranche hat es im letzten Jahr erstmalig geschafft die harten Zielvorgaben des Bundes bzgl. CO2-Emissionen von Neuwagen einzuhalten. Für die Hersteller war dies jedoch mit erheblichen Kosten verbunden. Mit der nächstjährigen scharfen Absenkung der Zielwerte für neue Personen- und Lieferwagen sowie der erstmaligen Einführung von Vorgaben für schwere Nutzfahrzeuge werden höhere Sanktionsbeiträge erwartet, auch wenn der Anteil von Null-Emissions-Fahrzeugen schnell ausgebaut wird.

Um die Klimaziele zu erreichen, ist eine Transformation auf CO2-neutrale Antriebstechnologien unerlässlich. Die neue Erhebung der Automobilsteuer auf E-Fahrzeuge steht dazu inhaltlich und ideologisch quer in der Landschaft. Nicht nur werden Elektrofahrzeuge unnötig verteuert, nein, der fehlende Absatz wird gar mit Sanktionsmassnahmen abermals bestraft. Das Zuckerbrot wird weggelassen, dafür die Peitsche gleich zweimal eingesetzt.

Hausaufgaben für den Bundesrat

Gestützt auf Art. 12 Abs. 2 AStG liegt es in der Kompetenz des Bundesrates die Elektrofahrzeuge von diesem Zoll zu befreien. Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels und den Drohungen horrender Sanktionszahlungen aufgrund verfehlter Zielwerte, wäre dies umso dringlicher. Ferner hat der Bundesrat aber auch volkswirtschaftliche Hausaufgaben zu erledigen. Die Abschaffung von Industriezöllen ist löblich, aber die Automobilbranche aussenvorzulassen geht nicht an. Konsequenterweise gilt es den «vergessenen Zoll» gänzlich abzuschaffen. Gerade dem transaktionalen US-Präsidenten könnte dies als Teil eines «guten Deals» verkauft werden.

Dieser Text erschien am 21. Mai 2025 in dem Magazin «Geschäftsführer*in Basel» in verkürzter Form.